Gruppenausstellung mit Anne de Vries, Aleksandra Domanovic, Spiros Hadjidjanos, Keller/Kosmas (Aids-3d), Wojciech Kosma, Oliver Laric,
Mike Ruiz, Timur Si-Qin
Die Idee, das gesamte Wissen der Welt an einem Ort zusammenzutragen, geht zurück auf die antike Bibliothek von Alexandria. Heute strebt die Online-Enzyklopädie Wikipedia danach, alles menschliche Wissen an einem Ort zu versammeln, jedes Thema vertreten mit einem einzelnen Artikel.
Wenn man den Eintrag zu "Maya Script" in Wikipedia aufruft, lautet der Eingangstext: "Nicht zu verwechseln mit der in Maya eingebettenen Schrift, einer Programmiersprache für die Autodesk Software Maya". Wie kann jemand das Schriftsystem der präkolumbianischen Maya-Zivilisation Mesoamerikas mit einer eingebetteten Schrift der Maya 3D Software verwechseln, im Februar 1998 als Maya 1.0 veröffentlicht? Etwas zu verwechseln, so Joseph Camp, Autor von "Confusion: A Study in the Theory of Knowledge", heißt, einen paradigmatischen Fehler begehen. Die beiden Bedeutungen durcheinander zu bringen, meint demnach, entweder das physische Material zu digitalisieren oder Daten in Fakten zu verwandeln. Obwohl beide Schriften gänzlich verschieden sind, können sie gleich gesetzt werden – als Text: Die eine hat als gekonnt auf Keramik gemalte, in Holz oder Stein geritzte oder in Stuck gelegte Bildzeichen die Jahrhunderte überdauert. Die andere exisitert im elektrisch aufgeladenen Raum eines Computer-Gedächtnisses. Die Verwechslungsgefahr liegt im höheren Wert der möglichen Folgen. Welcher der beiden Wikipedia-Einträge hat heute mehr Relevanz? Die Maya-Schrift, Schreibsystem und Kommunikationsmittel einer der höchsten Kulturen der Menschheitsgeschichte – oder Maya, die eingebettete Sprache einer der zurzeit gebräuchlichsten 3D Grafikprogramme?
Das Internet verhindert nicht, dass historische und zeitgenössische Phänomene parallel zueinander existieren – zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Auch mag der semantische Unterschied zwischen den beiden Konzepten – trotz der zeitlichen Differenz, die beide Maya-Schriften voneinander trennt – nicht so groß sein wie er scheint.
"Nicht zu verwechseln mit…" ist eine Standardformulierung in Wikipedia, eine Phrase, lediglich dazu benutzt, Einträge voneinander zu unterscheiden. Und obwohl die Phrase eingefügt wird, wenn ein Wikipedia-Eintrag die durchlässige Schwelle der Ähnlichkeit mit einem anderen Eintrag in der großen Enzyklopädie passiert, mag der Unterschied zwischen den beiden Begriffen größer oder kleiner sein, je nachdem, welche Perspektive der Betrachter einnimmt.
Generell schließt das Stadium der Konfusion unorganisiertes Denken ein, das im Fall von kultureller Produktion zu verschwommenen, unklaren und verwirrenden Bereichen, Konzepten und Möglichkeiten ausgedehnt werden kann. Man kann individuelle künstlerische Ausdrucksformen um solche Verwechslungen kreisen lassen, um sie als Nährboden für kulturellen Austausch und Verhandlung – und am Ende doch zu leugnen. Andere künstlerische Praktiken implizieren dass hier keine Verwechslung/Durcheinander vorliegt, entweder weil der Fokus auf einen spekulativen Raum gelenkt wird, in dem sich die Dinge überlappen und es deshalb keine qualitativen Unterschiede zwischen ihnen gibt, oder weil die Aufmerksamkeit auf einen phänomenalen Unterschied zwischen Dingen gelenkt wird, die jede Möglichkeit von Konfusion ausschließt. Manche Kunstpraktiken greifen dabei gekonnt auf digitale Technologien zurück, um die Bereiche in Einklang zu bringen, in denen es Ähnlichkeiten gibt, oder um die Trennfugen breiter zu legen.
Die Ausstellung Not to be confused with... zeigt verschiedene aktuelle Positionen, die in diesen vitalen und produktiven künstlerischen Praktiken angesiedelt sind.
von cirne
Galerie/Projekte Jörg Kohnen-May
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