In Deiner Arbeit bewegst Du Dich zwischen zwei Welten: Zum einen materialisierst Du digitale, nicht-sichtbare Prozesse, zum anderen transferierst Du physisch Fassbares auf Speichermedien, ersetzt das „Reale“ durch das Digitale. Welche Seite der Welt ist für Dich die „Richtige“?
Ich bin nicht sicher, ob ich zwischen diesen beiden Welten bzw. diese beiden Seiten der Welt unterscheiden möchte. In meiner Arbeit bringe ich heterogene Materialien und Konzepte zusammen. Dabei geht es mir um die Ebene, auf der das Digitale und das Physische koexistieren, sich überlagern und ineinander übergehen. In meiner Arbeit geht es vor allem um die Frage, wie sich die digitale Kultur physisch manifestiert. Das digitale Bild hat eine bestimmte Physikalität, die möchte ich untersuchen. Ich möchte den exakten Punkt bestimmen, an dem man den beiden Sphären mit gleichem Potenzial eine materielle und digitale Abstraktion zuordnen kann.
Die Erfahrung von Verlust und Verschwinden – ist dies ein zentraler Antrieb für Dich, Kunst zu produzieren? Ist Deine Arbeit insofern Erinnerungsarbeit oder geht es Dir vielmehr darum, Leerstellen zu füllen?
Was mich motiviert, ist die Erfahrung eines Prozesses, der nicht vorhersehbar ist – obwohl ich den Gedanken, Leerstellen zu füllen, schon sehr mag. Das ist es doch worum es in der Kunst und beim kreativen Akt geht. Die Tatsache, dass ich physische Räume mit digitalen Informationen fülle, ist ein konzeptueller Ansatz, aber kein idealistischer. Meine Arbeit ist genauso Erinnerungsarbeit wie die Suche nach Bildern auf einer Festplatte.
Die Menge der Informationen, die uns zur Verfügung steht, nimmt immer mehr zu. Das Netzwerk der Welt wird immer dichter und dichter, komplexer und verwirrender. Du dagegen benutzt nur wenige Materialien und schaffst Werke, die sehr reduziert erscheinen. Warum?
Wenn Du Dinge reduzierst, reduzierst Du auch Deinen symbolischen Bezugsrahmen und die Fragen des Betrachters. Gleichzeitig bekommt ein Werk mehr „Angriffsfläche“ für Reflexion. Der Raum ist limitiert, aber intensiv aufgeladen – das schärft den Blick. Jedenfalls ist das meine Intention, wenn ich einen Stapel digitaler Speichermedien mit physischem Material zusammenbringe. Du reduzierst die Unsicherheiten, und die Arbeit wird „präziser“.
In Deiner Arbeit bekommt Information einen räumlichen Charakter. Wie bist Du darauf gekommen, Dich damit zu beschäftigen?
Als ich Objekte gebaut und dabei programmiert und im Internet gesurft habe, also ganz natürlich.
Welche Bedeutung hat der Ort bzw. der Raum, in dem Du Deine Arbeiten realisierst bzw. zeigst?
Der Raum, in dem Kunst präsentiert wird, ist immer sehr wichtig. Die Arbeit findet im Raum statt. Je mehr Du die Arbeit in den Raum integrierst, desto klarer wird sie. Kunst, die sich mit dem Internet beschäftigt, erweitert den Ausstellungsraum sowohl physisch als auch virtuell, es zeigt seine Möglichkeiten auf und seine Grenzen.
Was zeichnet einen zeitgenössischen Künstler heute aus?
Das gleiche, das ihn immer ausgezeichnet hat. Künstler müssen relevant für ihre Zeit sein. Irrelevant zu sein ist uninteressant. Du musst erforschen, was Dich umgibt, alle Medien und Werkzeuge, die Dich umgeben und die Du zur Verfügung hast – immer mit Blick darauf, Kunst damit zu machen. Wir können uns freuen, so viele unzählige neue Tools zu haben. Sicher ist, dass Du zu den interessantesten Ergebnissen kommst Du, wenn Du ins Detail gehst und diese Tools anders nutzt als eigentlich gedacht.
Sind Recherchen Teil Deiner künstlerischen Praxis?
Ja, sehr häufig.
Wer oder was beeinflusst Dich am meisten?
Handbücher über Nerd-Netzwerke; die Tonnen von Informationen, die in meiner „Cloud“ abgelegt sind; die digitale Kultur und alles was dazu gehört.
Mit welchen Fragen wirst Du Dich in nächster Zeit am intensivsten beschäftigen?
Mit einer, aber sehr bedeutenden: Welche Zukunft haben materielle Arbeiten?
(Fragen: Jörg Kohnen-May)