Pieterjan Ginckels:
"S.P.A.M. OFFICE"

28. Oktober bis 10. Dezember 2011
Vernissage: 28. Oktober, 19 bis 22 Uhr

Was ist Kunst? Wie und unter welchen Bedingungen entsteht sie? In seinem Projekt S.P.A.M. OFFICE verwandelt der belgische Künstler Pieterjan Ginckels die Galerie in ein Büro – und stellt dort "live" das Konzept vom Künstler als Schöpfergenius sowie vom Kunstwerk als Original zur Diskussion.

S.P.A.M. OFFICE führt einen kollaborativen Ansatz der Kunstproduktion vor: Inmitten eines eigens entworfenen und gebauten Büro-Interieurs verrichten unifom gekleidete Mitarbeiter öffentlich ihre Arbeit: sichten unter der E-Mail-Adresse des Büros eingegangene Spam-Mails, durchsuchen den digitalen Abfall unserer Informationsgesellschaft auf sein künstlerisches Potenzial. Die S.P.A.M. Officers sortieren nach formalen Kriterien Unbrauchbares aus, markieren interessante Phrasen und Absender, klassifizieren, typologisieren und archivieren das Material – als Dienstleistung für ihren Chef, den Künstler.

Pieterjan Ginckels tritt als strenger "Büroleiter" auf – er kontrolliert den minutiös geplanten Arbeitsprozess, tadelt, motiviert, hat ein offenes Ohr für die Belange und Ideen der Beschäftigten. Dabei gibt er nicht nur den Managing Director und Patriarch des Betriebs – er ist es wirklich (noch dazu dessen Architekt, Bauherr, Betreiber sowie Chef-Designer und -ausstatter des Büros bzw. des Teams). Denn das Büro ist ein wirklicher Ort der Leistungserbringung, seine Mitarbeiter liefern ihm ausgewählte Rohstoffe für seine kreativen Zwecke.

Der Künstler transformiert dieses Material. Er verwertet und veredelt nervigen Werbesprech, platte Anmache und unbeholfen-unverständliche Selbstanpreisungen und stellt die Ergebnisse im Office bzw. in der Galerie aus. Hier finden sich lyrische-kryptische Phrasen, ausgewählt und zu "Neuen Regeln" oder vermeintlich authentischen "Spam-Dialogen" montiert, in spezifischen Schriftarten und Layouts gesetzt, mal in DIN A4, mal in Plakatgröße auf glänzendem Papier gedruckt und adäquat gerahmt. Den Inhalt einer intimeren E-Mail verwandelt er in Untertitel, die den Betrachter von einem im Untergeschoss der Galerie versteckten Bildschirm aus adressieren.

Die Kriterien, nach denen Pieterjan Ginckels den Rohstoff für seine Arbeiten ausgewählt und transformiert hat, sind freilich nur dem Künstler bekannt. Wann er sich aus den Ordnern des S.P.A.M. OFFICE bedient, auf welche Zeile warum sein Blick fällt, wie er das Material aufgreift und es verändert, wie daraus ein Text, ein Bild oder ein Video wird, bleibt sowohl seinen S.P.A.M. Officers als auch der Öffentlichkeit verborgen. Den schöpferischen Akt vollzieht der Künstler allein und völlig autonom. Der kreative Akt bleibt sein Geheimnis.

Also doch, der Künstler als einsamer genialer Schöpfer? Ja und nein. Pieterjan Ginckels führt mit S.P.A.M. Office hintergründig und mit spielerischem Ernst vor, wie diszipliniertes, zielgerichtetes Teamwork und die schöpferische Kraft und Originalität eines Einzelnen produktiv zusammenfinden können.

Bei von cirne realisiert Pieterjan Ginckels eine kleine Niederlassung seines S.P.A.M. OFFICE, in der sich das Büro als Ein-Mann-Unternehmung präsentiert, besetzt vom Galeristen. Die Büroausstattung erscheint wie eine ergonomische Maschine, und der OFFICER ist das Zahnrad in ihrem Zentrum. Der Künstler wird die Spam-Mailbox während der Ausstellungsdauer im Auge behalten und Spam-Mails an die Galerie weiterleiten. Das Publikum ist eingeladen, ihre Spam-Emails (oder andere unerwünschte Botschaften) an die Adresse s-p-a-m@live.com zu senden und dem S.P.A.M. OFFICE bei der Arbeit zuzusehen.

Pieterjan Ginckels, *1982, lebt und arbeitet in Brüssel. Er ist Preisträger des Young Belgian Painters Award 2011, Bozar Center for Fine Arts, Brüssel. Einzelausstellungen (Auswahl): PISTE (2010) und Space Shuttle Banana (2008) in der Galerie de Expeditie, Amsterdam; S.P.A.M. OFFICE bei Be-Part, B-Waregem (2011) und beim Figures and Facts Festival, Gent (2010), SONIC YOU bei Klerkx, Milan, Italien (2009) und im Neuen Aachener Kunstverein (2008). Teilnehmer diverser Gruppenausstellungen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland.


von cirne
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